– Beauty-Woche unter Männern –
Ein Lustspiel in 7 Etappen
6. Etappe: Hakuna Matata im Ruppiner Land
Gegen 7:45 Uhr erwachen wir aus einem entspannenden Tiefschlaf. Bis auf die abgelaufenen Oettinger-Hefeweizen sind offenbar alle befürchteten nächtlichen Gruselgeschichten ausgeblieben oder wir haben sie zumindest verpennt. Wir strecken uns zufrieden in unseren Betten und genießen die ersten Sonnenstrahlen, die durchs Zimmerfenster schießen. Selbst unser Schädel scheint die letzten Oettinger ohne beleidigten Schmerz hingenommen zu haben. Auch ein Pringles-Chips-Massaker im Bad ist offenbar ausgeblieben in der letzten Nacht. Mal sehen, was uns Klaus gleich für ein Frühstück auftischen wird. Routiniert erledigen wir die notwendigen morgendlichen Hygiene-Maßnahmen im Bad und schlurfen wenig später in Richtung des großen Aufenthaltsraums im Erdgeschoss, in dem Klaus und seine Frau zu Nicht-Corona-Zeiten auch Gastronomie betreiben. In diesem Corona-Jahr hätte es sich laut Klaus aber nicht rentiert, die Kneipe aufzumachen, daher beschränken sie sich auf das Angebot von Gästezimmern. Klaus ist schon top-fit und empfängt uns mit einem grinsenden: „Na Männer, war auch wirklich keins der letzten Biere schlecht gewesen?“ Wir erwidern ebenfalls grinsend: „Nee Klaus, die letzten Biere waren ganz hervorragend, sehr erfrischend.“ Darauf Klaus: „Dann setzt euch mal hin Jungs. Kaffee, wa? Oder trinkt bei euch etwa jemand Tee?“ Wir: „Nee Klaus, Kaffee is top!“ Klaus‘ Frau, die freundlich aus dem Hintergrund nickt und deren Namen wir bis zur Abreise nicht herausfinden, tischt kurz darauf am wunderbar eingedeckten Tisch für acht Leute auf. Und was sie anschleppt toppt alle unsere Erwartungen. Frische Brötchen, die absolut okay sind, selbstgemachtes Pflaumenmus, üppiger Käseteller und eine riesige Platte mit hausgemachter Wurst. Klaus bringt die Kaffee-Kanne vorbei und erklärt: „So Jungs, die Wurst ist aus eigener Schlachtung und eigener Herstellung, alles Bio, die Marmelade hat meine Frau gemacht und der Honig ist von meinem Kumpel. Alles Produkte aus der Region. Nur Kaffee-Züchten können wir noch nicht.“ Am geilsten sind die daumendick aufgeschnittenen Salamischeiben aus der eigenen Wurstproduktion von Klaus. Siehst du Tönnies, so wird das gemacht! Auf jeden Fall ein richtig geiles Frühstück, was Klaus und seine Frau da für uns auffahren. Dazu haben sie die komplette Fensterfront zur großen See-Terrasse geöffnet und es strömt herrlich frische Seeluft zu uns herein. Wir stärken uns umfänglich für den Tag mit den von Klaus angerichteten Leckereine. Super Frühstück! Der Kaffee ist zwar dünn, aber da wir uns entschließen, die zweite und dritte Runde Kaffee draußen auf der großen Terrasse direkt am See zu uns zu nehmen, ist auch das in Ordnung.


Die Morgensonne sorgt für extremes Glitzern auf dem See, die Wassseroberfläche glatt wie ein Spiegel, strahlend blauer Himmel, blühende Seerosen, riesige Fische streifen die Wasseroberfläche und verschwinden in der Tiefe, Schwalben jagen knapp über der Wasseroberfläche, ein Kormoran geht erfolgreich auf die Jagd und verschlingt seinen dicken Fisch sofort. Ein mutiger Schwimmer zieht schon zu dieser frühen Stunde seine Bahn über den See. Was ist denn das für ein unfassbar schöner Ausblick hier direkt am Ufer der Kyritzer Seenkette zu morgendlicher Stunde? Was für eine Natur, was für ein Schauspiel! Wir blinzeln zufrieden in die Sonne, lassen die Naturkulisse auf uns wirken, nippen am dünnen Kaffee und sind mit uns und der Welt im Reinen.
Jetzt ist es auf einer Radtour zwar nicht wie beim alten Dichterfürst: Man wird nicht in Fesseln geschlagen und man geht erst Recht nicht zugrunde, wenn man zu einem Augenblicke sagt: „Verweile doch, du bist so schön!“ Allerdings ist man irgendwie auch immer ein Getriebener. Die 70 Kilometer bis nach Lindow (Mark) müssen heute halt absolviert werden. Und da kann man sich nicht ewig auf dieser geilen Terrasse von Klaus mit dem noch geileren Ausblick auf die Kyritzer Seen aufhalten, so schön das hier auch alles sein mag. Nein, man muss irgendwann die Tagesvorbereitung einleiten. Und so machen wir uns an die übliche morgendliche Tagesroutine. Das vor der Radtour so sorgfältig ausgeklügelte Ordnungssystem in den Fahrradtaschen wird von Tag zu Tag mehr über den Haufen geworfen. Wir stopfen inzwischen quasi nur noch irgendwie alle Sachen in die Taschen, Hauptsache es kommt alles mit.
Kurz darauf finden wir uns vor der „See-Idylle“ wieder, herzliche Verabschiedung von Klaus (Ehrenmann!) und seiner Frau (Ehrenfrau!). Wir rollen am See-Ufer entlang, der Kellner vom „Casa Nostra“ winkt uns von seiner Terrasse aufmunternd zu und brüllt „Gute Fahrt Männer!“ und wir suchen nach den ersten Knotenpunkten. Wir verlassen Wusterhausen/Dosse und radeln zunächst über eine kleine, unbefahrene Landstraße. Weite abgemähte Stoppelfelder säumen den Weg, auf denen weit verstreut runde Strohballen liegen. Wir rollen uns gut ein. Am Horizont tauchen immer wieder kleine Kirchtürme auf, die ein zu durchfahrendes Dorf ankündigen. In den Dörfern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Alte Frauen mit Kopftüchern wenden auf kleinen Wiesen das gemähte Heu mit der Hand bzw. mit großen Rechen. Direkt daneben zahlreiche Weißstörche, auf der Suche nach Beute. In Vorgärten schnattern weiße Gänse, Hühner scharren über Wiesen und ein Esel ruft von irgendwoher. Stockrosen stehen in den Gärten in voller Blüte, weiße Bettwäsche weht auf den Leinen sanft im Wind. Wir überholen ein Pferd, welches einen alten Leiterwagen mit Brennholz samt dem Kutscher zieht. Sonstiges Verkehrsaufkommen gleich Null. Wir radeln wortlos durch diese endlose Weite. Wir durchqueren eine Landschaft, die sich vermutlich nicht grundlegend verändert hat, im Vergleich zu der Zeit, als hier der gute alte Theo (Fontane) vor 150 Jahren seine Streifzüge durch die Mark Brandenburg dokumentiert hat. Wenn die zahlreichen Windräder zur Stromerzeugung nicht wären, würden wir uns wie Akteure in Theos alten Büchern fühlen.

Kurz hinter dem kleinen Dorf Werder überqueren wir auf einer Brücke die dicht befahrene A24. Der Verkehr unten tost lautstark vor sich hin. Hier kann man das, wofür wir uns 6 Tage Zeit nehmen, locker in 2,5 Stunden bewältigen: Der Weg von Hamburg nach Berlin.
Kurz hinter der Autobahnbrücke wieder Getreideernte. Drei Mähdrescher fahren in einer Formation neben einander her und erzeugen weithin sichtbare Staubwolken. Die Allergiker in der Radsportgruppe fluchen.

Die riesigen Windräder prägen das Landschaftsbild. Kurze Trinkpause in Kränzlin und dann reiten wir auch schon ein in der Fontane-Stadt Neuruppin. Wir müssen uns kurz orientieren, die Wegeführung ist unübersichtlich, dann entdecken wir den Wegweiser „Zentrum“ und finden uns kurz darauf in einer wuseligen Fußgängerzone wieder. Wir sind beeindruckt vom Betrieb, der hier herrscht. Nach tagelang nur Elbdeich und Abgeschiedenheit in der Prignitz kommt uns Neuruppin fast wie eine pulsierende Metropole vor. Es ist Markttag und es herrscht rege Aktivität vor dem Rathaus. Wasserfontänen sprudeln vor sich hin, unzählige Menschen drängeln in gebührendem Sicherheitsabstand über den Marktplatz. Irgendwo spielt ein Mann mit einer Gitarre und einem Verstärker „Paint It Black“ von den Stones. Über App und einen aufgestellten Stadtplan orientieren wir uns und rollen dann langsam über enge Kopfsteinpflaster-Straßen Richtung See, dass die Satteltaschen nur so klappern. Wir passieren eine Kneipe, in der offenbar Henninger-Bier ausgeschenkt wird. Das „Alte Kasino“ direkt an der Seepromenade überzeugt uns mit einer Theorie, wonach Schnitzel-Fressen „Facelifting“ sei und wir erobern die große Terrasse zur Seeseite.


Was für ein Ausblick schon wieder! Zahlreiche Sportboote und imposante Segelyachten ziehen gemächlich über den in der Sonne funkelnden Ruppiner See. An einem Steg direkt vor uns sind die kleinen Hausboote von „Tom Sawyer Tours“ festgemacht und warten auf die nächsten Charter-Touris.

Die Turmuhr der Klosterkirche Sankt Trinitatis schlägt 12 und im „Alten Kasino“ gibt es nun endlich das erste Radler des Tages. Als Energie-Lieferant gegen nachmittägliche Hunger-Äste wird ein Semmelknödel an Rahmpfifferlingsragout geordert. Der Chef kellnert persönlich im Alten Kasino und ist dem ersten Anschein nach ein sehr entspannter Mensch. Er bringt uns zuverlässig immer wieder neue Getränkerunden. Irgendwann sagt er: „So Jungs, ihr bekommt jetzt das aller letzte jemals im Alten Kasino ausgeschenkte Kristall-Weizen. Meine Bestände sind leer und aufgrund der geringen Nachfrage fliegt das Kristall bei mir aus dem Sortiment.“ Wir sind beeindruckt und trinken feierlich dieses fast schon historische Bier. Der Semmelknödel mit den Pfifferlingen kurz darauf ist ausgezeichnet. Es ist schon wieder alles unfassbar geil hier. Was für schöne Momente in Neuruppin!


Aber es wurde ja bereits mehrfacht thematisiert: Eine Radtour ist ein ständiges Ankommen und Aufbrechen. Und so schön das hier im Alten Kasino auch ist, die nächsten schönen Momente warten woanders schon ungeduldig auf uns und wollen dringend erlebt werden. Und so schwingen wir uns dann wieder auf die Räder, rollen gemächlich die Seepromenade entlang und lassen den imposanten Ausblick auf uns wirken. Wir passieren die „Fontane-Therme“ in der man hier insbesondere in der grauen Jahreszeit ganz hervorragend Wellness betreiben kann. So geht es noch einige Zeit am Ruppiner See entlang und nach einer Kanal-Brücke, an der umfangreiche Bauarbeiten durchgeführt werden sind wir orientierungslos. Eine Passantin fragt: „Na Jungs, kann ich helfen?“ Wir: „Ja, wir wollen nach Alt-Ruppin.“ Sie darauf: „Na Männer, dann folgt hier mal nicht dem Radweg sondern fahrt dort rechts Richtung Nietwerder und in Nietwerder wieder links. Dann kommt ihr auch an und ihr erspart euch Landstraße und eine lange Steigung.“ Nette Menschen hier, wir beherzigen den Tipp und kommen tatsächlich ohne Landstraße und ohne Steigung in Alt-Ruppin an. Und in Alt-Ruppin reißt unsere Glückssträhne nicht ab. Wir finden einen Getränkemarkt. Gute Gelegenheit, um die Wasser-Reserven aufzufüllen. Und gleichzeitig hat irgendjemand die sehr gute Idee zwei Flaschen Berliner Luft zu kaufen. Die Kassiererin kommentiert den Einkauf einer Flasche Gerolsteiner Naturell und zwei Flaschen Berliner Luft mit „Geile Kombi“. Profi-Wissen. Die Flaschen werden in den Satteltaschen verstaut und dann geht es wieder aufs Rad.
Kurz darauf irren wir durch Alt-Ruppin und wissen nicht so richtig wohin. Eine Radweg-Beschilderung ist nicht zu finden. Zum Glück werden achtsame Einheimische auf uns aufmerksam und fragen zuvorkommend: „Könn wa helfen?“ Und klar können sie helfen. Nach kurzer Erklärung der Einheimischen wissen wir, wie wir Richtung „Zippelförde“ weiterkommen. Es geht nun zunächst durch den Wald, immer konstant bergauf. Als der Wald endet lässt die Steigung nicht nach, dafür nimmt der Gegenwind zu. Wir radeln an endlosen, blühenden Sonnenblumenfeldern entlang. Ein traumhafter Ausblick, Tour-de-France-Feeling, aber leider auch in den Beinen. Es ist einfach nur anstrengend, sich die konstanten Steigungen bei massivem Gegenwind hoch zu quälen. Kurz hinter dem Ortseingang Krangen biegt der Radweg zum Glück scharf rechts ab. Jetzt geht es zwar immer noch leicht bergauf, dafür bläst der Wind nicht mehr von vorne und es geht nach wie vor an endlosen Sonnenblumenfeldern vorbei. Tolle Landschaft!

Nun geht es wieder in den Wald und ab jetzt auch stabil bergab. Leider können wir die Abfahrt nicht wirklich genießen, da zahlreiche Bauwurzeln den Asphalt von beiden Seiten nach oben drücken. Es ist ein Ritt auf der Buckelpiste. Jede Wurzel ist ein kleiner Arschtritt für uns. Dazu immer wieder so heftige Wellen im Asphalt, die einen bei Unaufmerksamkeit jederzeit vom Rad werfen könnten. Es hat was von Rodeo-Ride in Richtung Lindow (Mark). Ein wilder Ritt der uns volle Konzentration abverlangt. Aber wir meistern auch diese Herausforderung und biegen wenig später auf den Radweg neben der viel befahrenen B 122 ein. Wir passieren den „Rhin“, an einer Stelle, wo zahlreiche Hausboote und sonstige Wasserwanderer Rast machen und überqueren die B 122 in Höhe der Fischzucht Zippelförde an einer heiklen, da schlecht einsehbaren S-Kurve. Jetzt geht es wieder durch den Wald, diesmal aber auf angenehmem Untergrund.

Am Knotenpunkt 73 haben wir die Wahl, ob wir links- oder rechtsrum an unser Etappenziel Lindow gelangen. Von den Kilometern kein großer Unterschied aber hilfsbereite Einheimische raten uns dringend für linksrum. „Viel besserer Radweg und auch keine Steigung.“ Das beherzigen wir natürlich und rollen wenige Minuten später nach einer entspannten Abfahrt in Lindwo (Mark) ein. Im Ortszentrum müssen wir uns kurz orientieren und finden dann aber zielsicher unser Nachtquartier, das „Hotel am Wutzsee“.
Spärlich eingerichtete Zimmer, muffiger Charme, Straßenseite , umfangreiche Spinnenweben an der Lampe und eine 1,40 Meter-Matratze für zwei Leute . Wird kuschelig, aber für eine Nacht wird es schon irgendwie gehen. Vom „Hotel am Wutzsee“ wird gleichzeitig eine „Italienische Gaststätte“ betrieben. Bei diesen „Italienern“ handelt es sich aber, wie in Brandenburg üblich, um Betreiber, die nicht aus Italien sondern aus Nordmazedonien stammen. Diese Nord-Mazedonier beherrschen aber einige italienische Vokabeln so sicher, dass sie sich vor den Restaurant-Gästen immer wieder kurze Dialoge auf Italienisch zurufen können, um so den Schein der mediterraneren Atmosphäre waren zu können. Wir sichern uns nach kurzem Einrichten in den Zimmern und dem Verstauen und Anschließen der Räder im Hinterhof einen großen Tisch auf der Terrasse des Hotels und ordern erstmal ein Einlauf-Hefeweizen. Wir haben einen guten Blick auf das rege Treiben am Marktplatz von Lindow. Ziemlich viel los. Touristen mit bayrischen Kennzeichnen parken vor uns ungeschickt ein und wieder aus, verursachen um Haaresbreite umfangreiche Blechschäden, das Café „Die Süße Ecke“ nebenan ist viel frequentiert und sieht einladend aus, im Hintergrund das Ufer des Wutzsees und rechts von uns schiebt sich eine nicht abreißende Blechlawine über die Straße des Friedens. Umleitungsstrecke, da die B 167 irgendwo zwischen Eberswalde und Neuruppin voll gesperrt ist. Uns schwant nichts Gutes, wenn wir an die Nacht und unser Zimmer zur Straßenseite denken. Einige von uns bestellen Essen, andere wollen noch warten. Wenig später stehen volle Teller mit Gerichten, die sich an der italienischen Küche orientieren aber mit authentischer italienischer Küche eher nix gemein haben auf dem Tisch. Aber wir wollen uns nicht beschweren, es könnte alles viel schlimmer sein. Natürlich gibt es einen Grappa aufs Haus und wenig später schlurfen wir durch dieses beschauliche Städtchen in Richtung „Gudelacksee“. Dort wurde uns eine Hafen-Bar empfohlen, die ziemlich gute Getränke anbieten soll. Und das hat selbstverständlich unser Interesse geweckt. Die Tour de Sauf muss ihrem Ruf schließlich gerecht werden.
Der Himmel hat sich inzwischen zugezogen, es ist aber immer noch sehr warm. Geradezu schwül, Durst-Wetter. Wir kommen durch enge Straßen, vor den Häusern sprießen bunte Stockrosen aus jeder noch so kleinen Pflasterfuge, beeindruckend. Die Schönheit der Natur findet immer einen Weg. Erst recht in Brandenburg.

Wir überqueren einen unbeschrankten Bahnübergang und dann liegt er vor uns, der Gudelacksee. Als wir vom Bahndamm runter kommen, erspähen wir strahlend weiß gestrichene Lounge-Möbel aus Palettenholz und passend zur Pandemie blaue Corona-Bier-Sonnenschirme, dazu meterhohe Palmen in Kübeln. Wir haben unser Ziel erreicht: Die Jet-Bay-Sea-Lounge. Es gibt Orte, bei denen weiß man auf den ersten Blick, dass man hier nichts falsch machen kann. Entspanntes Ambiente, eine vielversprechende Getränkekarte und das alles schon wieder eingebunden in einer gigantischen Naturkulisse.
Wir sinken in die Loungemöbel und studieren die umfangreiche Getränkekarte. Als Einlauf-Getränk in diesem Hafen entscheiden wir uns klassisch für einen Gin-Tonic. Wir haben die Wahl zwischen sieben verschiedenen Gins und doppelt so vielen Tonic-Waters. Die bevorzugte Kombi ist zunächst Monkey 47 mit Fever Tree Mediterranean. Und so viel kann an dieser Stelle vorweg genommen werden ohne zu spoilern: es sollte der mit Abstand beste Gin Tonic werden, den wir auf dieser Radtour bekommen haben. Das man dazu immer erst ins Brandenburger Hinterland reisen muss.
Nun sitzen wir also in Lindow (Mark) an der Marina am Gudelacksee in wunderbaren Lounge-Möbeln, vor uns wiegen die zahlreichen Segel- und Motoryachten sanft im Abendlicht, aus den Boxen entspannte Electro-Beats und nippen an diesem ausgezeichneten Gin Tonic. Wir können unser Glück auf dieser Radtour mal wieder kaum fassen.

Danach trinken wir uns mutig durch die Getränkekarte. Es folgt eine Runde Moscow Mule, und dann lassen wir uns vom Barkeeper beraten. Der ist ein Bär von einem Mann, vermutlich zwei Meter groß, kurze Haare, voller Bart und von der Statur so gebaut, als könnte er in jedem Berliner Club die Tür machen. Sein sprachlicher Dialekt lässt auf Mecklenburg schließen, da er – wie es dort üblich ist – jede „er“ Endung“ zu einem lang gezogenen „ääää“ umwandelt: „Wartet Männää, ich komm zu euch rübää.“ Die zahlreichen Hansa-Rostock-Tattoos auf seinen imposanten Waden bestätigen den Verdacht. Er kümmert sich ausgezeichnet um uns, berät uns professionell bei der Getränkewahl und schleppt immer wieder voll bepackte Tabletts mit allerhand gut befüllten Gläsern heran. So sitzen wir stundenlang in dieser Wohlfühloase, uns überkommt eine ungetrübte Zufriedenheit. Wer braucht schon Ibiza, wenn man die Jet-Bay-Sea-Lounge an der Marina in Lindow (Mark) haben kann? Und zur Krönung der ganzen Geschichte reißt die Wolkendecke am späten Abend noch einmal auf und bietet uns einen gigantischen Sonnenuntergang über dem Gudelacksee. An dieser Stelle sei Sarah Kuttner zitiert: „Brandenburg tut nicht so, als wäre es etwas, was es nicht ist. Brandenburg ist einfach nur da und schenkt Liebe.“ Wie Recht sie hat, die Sarah.



Aber auch der entspannteste Urlaubsabend geht irgendwann zu Ende. Vom See zieht nach dem Sonnenuntergang kühle Luft über die Hafen-Bar. Und so entschließen wir uns allmählich zum Aufbruch. Der Hansa-Rostock-Barkeeper hat an uns nicht schlecht verdient und verabschiedet uns überschwänglich. „Macht‘s gut Männäää und kommt bald mal wiedäää“. Wir versprechen es ihm und schlendern leicht angetrunken durch die schmalen Gassen zurück zu unserem „Hotel am Wutzsee“.
Da auf der Terrasse noch Betrieb ist, haben wir die schlaue Idee noch eine Runde Weizenbiere zu bestellen. Und aus der einen Runde wird noch eine zweite und natürlich auch noch eine dritte. Wir quatschen uns dusselig, sind traditionell die letzten Gäste und werden nun vom Kellner wenig charmant drauf hingewiesen, dass das jetzt wirklich die aller letzte Bestellung zu sein hat. Wir trinken in Ruhe aus, denn wir haben ja noch zwei Flaschen Berliner Luft im Gepäck in der Hinterhand. So versammeln wir uns wenig später in einem der Zimmer zur Straße hin und stoßen zufrieden auf diesen gelungenen Tag an. Und die zwei Flaschen Luft sind auch nötig, denn wir müssen uns so gut es geht betäuben, um bei dem Verkehrslärm der Straße, der direkt vor unserem Fenster vor sich hin donnert, irgendwie in den Schlaf zu finden.