Usedom – Berlin

Endlich wieder auf dem Radweg

Dieses 2021 machte eine vorrausschauende Urlaubsplanung  ja alles andere als einfach. Und da selbst im Mai noch nicht abzusehen war, was man im Sommer so unternehmen konnte, einigte sich die Radsportgruppe, nichts im Voraus zu buchen. Gleichzeitig sollte die Tradition der alljährlichen mehrtägige gemeinsamen Radtour fortgeführt werden. Damit war aber klar, dass es in diesem Jahr wohl nicht in voller Besetzung los gehen würde, denn so spontan die komplette Radsportgruppe an den Start zu bringen, dürfte schwierig werden. Und so entstand die Idee der diesjährigen Radtour tatsächlich spontan und aus dem Stehgreif und irgendwie quasi unwetterbedingt. Denn  just als es zu einer wetterbedingten Unterbrechung des Fernsehbildes während des EM-Achtelfinales zwischen England und Deutschland kam, wurde die Idee der diesjährigen Radtour geboren. Zumindest wurde der Termin festgelegt und für den nächsten Tag ein Treffen vereinbart, auf  dem Nägel mit Köpfen gemacht werden sollten. Die Radsportgruppe wurde über die Whatsapp-Gruppe informiert und die Rückmeldungen blieben spärlich.

Zur Debatte stand eine kurze 4-Tagestour. Da wir auf mögliche Reisestrapazen verzichten wollten, wurde schnell klar, dass es entweder von zuhause irgendwohin gehen soll und dann mit der Bahn zurück oder eben umgekehrt, mit der Bahn irgendwohin und dann mit dem Fahrrad zurück. Wir entschieden uns für die zweite Version, da wir mit der Tour von Hamburg nach Berlin im vergangenen Jahr gute Erfahrungen gemacht haben. Aufgrund der auf 4 Tage begrenzten Zeit wurde schnell klar, dass es eigentlich nur drei Optionen gab. Entweder mit dem Zug nach Warnemünde und dann auf dem Radfernweg Kopenhagen-Berlin nachhause fahren oder die gleiche Nummer von Stralsund aus nach Berlin. Als dritte Option stand der Radweg Berlin-Usedom im Raum und diese Option stellte sich schnell als die favorisierte heraus. Der Plan konkretisierte sich und schnell war klar, dass wir am Mittwochmorgen mit der Bahn hoch an die Ostsee fahren würden, uns dort einen entspannten Tag am Strand machen würden  und dann von Donnerstag bis Samstag in 3 Etappen zurück in die Hauptstadt rollen würden.

Da die Erfahrung gezeigt hat, dass die Leute am Bahnschalter manchmal noch bessere Ideen für so ein Unterfangen haben, als das Internet anzubieten hat, taperte eine Delegation der Radsportgruppe am nächsten Tag an den Schalter der DB. Und tatsächlich: Uns wurde das im Internet nicht auffindbare „Stadt-Land-Meer-Ticket“ angeboten, welches uns samt Fahrrädern für einen schmalen Taler ins Ostseebad Ückeritz bringen würde. Inzwischen waren insgesamt fünf Zusagen eingetroffen und so buchten wir das ganze fünf Mal.

Am Abend wurden dann bei kühlem Fassbier die Tagesrouten entlang des Radweges Berlin-Usedom überschlagen und wir hielten es für eine schlaue Idee, dass wir am ersten Tag mit einer Abkürzung über die Anklamer Fähre  locker von der Ostseeinsel bis nach Pasewalk kommen würden. Als zweite Etappe wurde ein Ziel irgendwo in der Uckermark oder in der Schorfheide gesucht. Und von dort aus sollte man mit  einer lockeren Austrudel-Etappe am letzten Tag lässig die Hauptstadt erreichen. Kurze Zeit später waren die Unterkünfte gebucht, für jeden Tag ein Tisch zum Abendessen bestellt und wir blickten uns etwas ungläubig an, wie problemlos diese spontane Radtour organisiert war.  

Wenige Tage später findet sich die Radsportgruppe zu früher Stunde an einer Aral-Tankstelle ein und trudelt gegen 3:30 Uhr langsam mit den bepackten Rädern Richtung Bahnhof. Auf den Straßen ist noch nix los, die Nacht noch schwarz. Innerhalb der nächsten 40 Minuten wechselte dieses Schwarz aber nach und nach in ein Blau. Wir schaffen es sogar noch, an einem Nachtschalter einer weiteren Tankstelle in paar Flaschen Bier für die Zugfahrt zu erwerben und verstauen diese sorgfältig in den Radtaschen. Pünktlich erreichen wir den Bahnhof und um kurz nach 4:30 Uhr rollt die ziemlich menschenleere Regionalbahn Richtung Stralsund ein.

Wir finden problemlos das Fahrradabteil und haben kurze Zeit später die Fahrräder sicher befestigt und gleiten gekonnt in die Ausklappsitze des Fahrradabteils. Die erste Hürde haben wir also souverän genommen. Grund genug morgens um kurz vor 5 das erste Bier zu öffnen, irgendwie muss man ja schließlich in diesen Tag finden.  Viel gesprochen wird noch nicht. Wir rollen hinter Eberswalde langsam durch die sanften Hügel der Uckermark. Die Bahn hält in jedem Nest. Wir nuckeln zufrieden an der Bierflasche während draußen bereits die Sonne strahlt. Trotzdem zieht sich die Fahrt. Wir öffnen das nächste Bier, bevor es in den Fahrradtaschen warm wird. Irgendwann erreichen wir Pasewalk und fragen uns, ob wir hier wirklich morgen Abend schon wieder mit den Rädern sein wollen. Wir stellen fest, dass die Bordtoilette in einem katastrophalen Zustand ist sodass die Benutzung keine Option ist. Der nächste Dämpfer folgt, als die Bier-Reserven alle sind. Nach fast drei Stunden erreichen wir irgendwo im vorpommerschen Hinterland den kleine Ort Züssow. Hier müssen wir umsteigen und die Fahrt mit einer kleinen Bimmelbahn Richtung Usedom fortsetzen. Die nächste Bahn ist knalle voll, wir kriegen unsere Räder samt Taschen aber trotzdem alle verstaut. Die Luft ist stickig, Mitreisende unterhalten sich über Sitzbänke hinweg über Dinge, die uns nicht interessieren, Während wir hinter unseren FFP2-Masten schwitzen, fängt diese Fahrt mit der „Kaiser-Bäder-Bahn“ allmählich an zu nerven. Daher kommt spontan die Idee zustande, schon in Wolgast aus dem Zug zu steigen, irgendwo zu frühstücken und dann mit dem Fahrrad die restlichen Meter auf die Insel und bis nach Ückeritz zurück zu legen.

Immerhin hätten wir mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die stickige Bahn verlassen, was gefrühstückt und ein paar Kilometer Bewegung. Der Plan klingt für uns so schlüssig, dass wir an diesem sonnigen Morgen um kurz vor acht an der Haltestelle „Wolgast Hafen“ die Bahn verlassen.  Wir sortieren kurz unsere Räder, orientieren uns und rollen wenig später in Richtung des Marktplatzes von Wolgast. Dort gibt es eine Filiale einer Bäckereikette mit Café-Betrieb. Wir bestellen Hackepeterstullen, belegte Brötchen, Rührei, Kaffee und Radler und richten uns mit diesen Leckereien an einem Tisch auf dem sonnigen Marktplatz ein. Viel ist noch nicht los. Dafür ist das Frühstück gut.

Gestärkt für den Tag, schwingen wir uns also kurze Zeit später auf die Räder. Um einen Eindruck von der Stadt zu bekommen, wollen wir noch eine kurze Runde durch Wolgast drehen. Abseits des Marktplatzes ist Wolgast geprägt von extrem  niedrigen Reihenhäusern, heruntergekommenen Straßen, grauem Kratzputz und Leerstand. Wir durchfahren eine Fußgängerzone, in der ungelogen jeder Laden leer steht. Der einzige Laden in Mitten dieser Fußgängerzone in dem noch Betrieb ist, ist zu allem Überfluss auch noch das lokale Büro der AfD. Hier werden so ziemlich alle Klischees bedient, die es über das ostdeutsche Hinterland in den Medien so gibt. Wir entwickeln einen leichten Fluchttrieb und sind froh, als wir auf der großen Zugbrücke sind, die uns über den Peenestrom auf die Insel Usedom bringt. Wolgast, definitiv eher so eine Stadt zum weiter fahren.

Die ersten Meter auf der Insel rollen gut. Nachdem wir die letzten Häuser hinter uns gelassen haben radeln wir durch eine grüne Weidelandschaft, die bis zum Horizont reicht. Außer hin und wieder ein paar Rinderherden, begegnen wir niemandem. Die Ortschaften, auf die die Radwegeschilder hinweisen, heißen Krummin oder Bannemin. Nach ca. 10 km erreichen wir das Ostseebad Trassenheide und folgen der Beschilderung Richtung Strand. Es geht über einen lang gezogenen Weg durch einen Kiefernwald. Zahlreiche Familien mit Badetaschen und Bollerwagen sind unterwegs. Kurz vor dem Strand, vor  einem Deich geht der Radweg nach rechts ab. Die Ostsee muss ganz nahe sein, nur sehen können wir sie nicht. An einem Strandübergang gewährt sie uns dann aber schließlich doch den ersten kurzen Blick auf das  weite Blau. Es geht nun durch einen Wald auf einem unbefestigten Sandweg. Durchaus herausforderndes Gelände, da der Sand unterschiedlich fest ist und uns an manchen Stellen fast zum Absteigen zwingt. Plötzlich lichtet sich der Wald und wir passieren einen riesigen Zeltplatz. Der Radweg führt nun einige Meter oberhalb der Küste entlang, so dass wir einen wunderschönen Blick auf das Meer haben. Links die Ostsee, rechts neben uns stehen die Wohnwagen bis an den Radweg heran, sodass ca. einen Meter von uns entfernt die Camper an ihren Klapptischen frühstücken. Sie scheinen sich aber an uns nicht zu stören.

Hinter dem Zeltplatz geht es wieder in den Wald. Der Radweg ist inzwischen viel befahren, es sind vor allem Rentner auf E-Bikes unterwegs. Unser Radfahrinstinkt lässt die Alarmglocken schrillen und gebietet uns Vorsicht. Nach einigen Kilometern erreichen wir das Ostseebad Zinnowitz. Hier ist schon einiges los auf der Strandpromenade morgens gegen 10:15 Uhr. Nur Kneipen haben noch nicht offen, so dass wir unser erstes Inselgetränk noch verschieben müssen und daher lieber schnell weiterfahren. Weiter auf dem Sandweg und wieder in den Wald hinein. Und es geht erstaunlich hügelig zur Sache. Giftige Anstiege bis zu 16%, gefolgt von halsbrecherischen Abfahrten über Stock und Stein. Die größte Herausforderung stellen für uns aber die zahlreichen Rentner auf ihren E-Bikes dar, die mitunter zu völlig unerwarteten Verhaltensweisen und Aktionen auf ihren Rädern neigen. So bleiben sie in der Abfahrt bisweilen unvermittelt stehen, ziehen in einem Anstieg plötzlich nach links, wenn man sie versucht zu überholen oder fahren konsequent auf der Seite des Gegenverkehrs. An ein sportliches Fahren ist nicht zu denken, obwohl wir sie trotz ihres E-Motors an den Anstiegen locker distanzieren könnten. Aber man muss hier gerade immer mit allem rechnen. Wir trotteln also den Rentnern in den Anstiegen im Bummelschritt hinterher. Und obwohl wir Tempo raus nehmen und obwohl alle unsere Sinne geschärft sind, werden wir Zeugen eines Fahrradunfalls, weil eben eine solche E-Bike-Rentnerin plötzlich nach links abbiegt, ohne ein Signal zu geben und gleichzeitig  überholt wird. Es kracht gewaltig aber glücklicherweise bleibt es bei einer kleinen Schürfwunde.

Das Verhalten der Mit-Radweg-Benutzer hat unsere Stimmung reichlich gedämpft. Und so rollen wir die letzten Kilometer ziemlich schlecht gelaunt dem Ostseebad Ückeritz entgegen. Schließlich erreichen wir aber den großen Zeltplatz ohne weitere Zwischenfälle. Wir schieben unsere Räder ziemlich orientierungslos durch die unterschiedlichen Gastro-Angebote und können uns nicht entscheiden, wo wir einkehren. Hier ist es zu sonnig, dort gibt es nur Warsteiner-Bier, hier ist kein Platz mehr frei. Schließlich finden wir doch noch einen schattigen Biertisch, an dem wir alle Platz finden. Es gibt Lübzer-Radler und bayrisches Weizenbier. Ein Glück, den 11-Uhr-Zug haben wir geschafft. Also den Zug am Bierglas. Der Durst und die inzwischen ziemlich hohen Temperaturen sorgen dafür, dass das erste Getränk in wenigen Sekunden geleert ist. Also wird schnell nach bestellt. So, jetzt kann man tatsächlich erstmals runter kommen. Das frühe Aufstehen, das wenig beschauliche Wolgast, die nervigen E-Bike-Touristen einfach vergessen. Ankommen auf der Insel. Wunderbar!  Und so sitzen wir erst einmal, bestellen Runde um Runde und genießen die Zeit.

Inzwischen hat sich der Himmel zugezogen und von Südwesten drückt eine schwarze Wolkenwand in unsere Richtung. Da wir dem Sonnenschirm an unsrem Tisch nicht zutrauen, uns gegen Starkregen zu schützen, machen wir uns auf die Suche nach einer neuen Lokalität. Einige hundert Meter weiter finden wir die „Strandoase Ückeritz“. Dort gibt es noch ein paar regensichere Sitzplätze, daher zögern wir nicht lang. Und tatsächlich, kurz nach dem wir unsere Plätze bezogen  haben rauscht ein Platzregen über das Ostseebad. Der Regen führt nun dazu, dass vom Strand hunderte Menschen aufgescheucht werden und hektisch irgendwo nach Unterstand suchen. Gut dass wir unsere Plätze haben, Glück gehabt.

Das ist uns dann mal die erste Runde Gin-Tonic wert. Und bei einer bleibt es nicht, denn es regnet jetzt erstmal und was anderes als hier sitzen und saufen können wir jetzt eh nicht machen. Irgendwann hört es dann aber doch auf zu regnen. Wir überlegen, wie wir weiter vorgehen. Ein Teil will gerne an den Strand und baden, ein anderer Teil will lieber in der Bar bleiben. Perfekte Situation: So können die, die baden wollen an den Strand und wir müssen gleichzeitig unseren begehrten Tisch in der Strandoase nicht aufgeben und auch die Räder bleiben bewacht.

Inzwischen blinzelt ab und zu schon wieder die Sonne aus den dunklen Wolken. Es ist immer noch warm nach dem Regen, die Luft ist herrlich, überall dampft es. Der Strand ist angenehm leer, da der Regen für überstürzte Aufbrüche gesorgt hat. Die Ostsee liegt nun grau und aufgewühlt vor uns. Die Ostsee ist ja eher so ein umstrittenes Meer. Manche nehmen sie als Meer gar nicht so richtig ernst, da sie oft einfach glatt da liegt und noch nicht mal richtig salzig ist. Aber heute hat sie sogar eine grundsolide Brandung anzubieten. Wir zögern also nicht lange und stürzen  uns in die Fluten.  Das Wasser ist herrlich; nicht kalt aber trotzdem erfrischend, auf einen Schlag ist die Schwere der schon wieder sehr zahlreichen Biere und Gin Tonics aus dem Kopf gespült. Wir lassen uns von der Ostsee die Brandung um die Ohren hauen und genießen den Moment. Nachdem wir ausreichend erfrischt sind, schlendern wir zurück zur Strandoase. Dort sind die Gläser bereits wieder gut gefüllt und wir wollen in nichts nachstehen.

Die Frage ist nun, was machen wir  mit diesem angebrochenen Tag? Klar, wir könnten noch in die „Drei Kaiserbäder“ radeln. Die sind durchaus sehenswert. Aber zum einen wird es da ziemlich voll sein und zum anderen treiben da wieder an allen Ecken diese unberechenbaren Rentner mit ihren E-Bikes ihr Unwesen. Das erscheint uns als viel zu gefährlich. Also entscheiden wir uns noch ne Kleinigkeit zu essen in der Strandoase um dann ganz gemächlich und entspannt zu unserer Unterkunft im Hinterland zu radeln. Und so geht es nach Knobi-Brot, Gemüsepfanne und Bauernfrühstück zurück auf die Räder.

Wir haben leichte Schwierigkeiten den Radweg wieder zu finden, treten dann aber wenig später zielsicher unsere Fahrt an. Es geht zunächst entlang der B111 ins Landesinnere. Von norddeutscher Tiefebene ist auf Usedom nicht viel zu spüren. Es geht mächtig hoch und runter, vorbei am Schmollensee und durch das Dorf Pudagla. Anschließend folgt ein kilometerlanger Anstieg, der links und rechts von goldenen Kornfeldern gesäumt wird. Auf dem letzten Ritzel erreichen wir den Gipfel, es folgt eine eben so lange Abfahrt in der wir die Räder laufen lassen. Am Horizont ziehen schon wieder dunkelschwarze Wolken auf. Aber am Ende der Abfahrt haben wir unser Tagesziel erreicht: Neppermin am Achterwasser. Die Uhr zeigt 16:50 Uhr, der Tacho weist immerhin glatte 50 gefahrene Tageskilometer auf, damit hätten wir heute gar nicht gerechnet. Wir finden problemlos unsere Unterkunft: Pension Café Nina, nicht unser Haus aber für heute unser Heim.

In Corona-Zeiten ist so eine Ankunft zunächst immer mit einer leichten Unsicherheit verbunden: Darf man hier einfach so rein, muss man Maske tragen, Hände desinfizieren, Tests oder Impfnachweise vorzeigen usw. Daher gehen erstmal zwei von uns die Lager erforschen. Wir schwitzen hinter FFP2-Masken und wagen uns rein. Wir werden sogleich von Nina freundlich in Empfang genommen an der Rezeption. Sie händigt uns die Schlüssel aus, ohne dass wir irgendetwas vorzeigen müssen und sie schließt uns dann die Fahrradgarage auf. Kurz darauf beziehen wir mit unseren Fahrradtaschen die Zimmer. Der Blick aus dem Fenster zeigt: Viel später hätten wir hier nicht ankommen dürfen. Es schüttet wie aus Eimern. Wir machen uns etwas Sorgen, da wir für 18:00 Uhr in der ortsansässigen Fischkneipe einen Tisch im Biergarten bestellt haben. Aber egal, das wird sich schon regeln.

Ankommen nach einem Fahrrad-Tag ist immer wunderbar. Raus aus den Klamotten, unter die Dusche, frische Sachen anziehen, Beine lang machen, Unterkunft erkunden. Zum Glück hat die Pension ein Cafébetrieb mit dabei. Und so können  wir uns unter einem Sonnenschirm einfinden, der in diesem Fall als Regenschirm dient und Nina schleppt uns frisch gezapfte Lübzer Pilsener heran. Wir lassen den Blick schweifen über das verregnete Achterwasser und trinken zur Sicherheit lieber noch ein zweites Lübzer. Ob es an dem Lübzer liegt oder an was anderem ist schwer zu sagen, jedenfalls reist in diesem Moment wo das Bier kommt die Wolkendecke auf und die Sonne knallt auf das beschauliche Neppermin am Achterwasser. Wird also vielleicht doch noch was, mit unserem Tisch im Biergarten.

Und da der Uhrzeiger beständig Richtung 18:00 Uhr geht, schlendern wir los. Der Weg ist kurz und die knallende Sonne lässt die Spuren des Regens schon wieder verdampfen. Und so erreichen wir den Nepperminer Fischpalast. Der aufgeregte Kellner richtet uns den Tisch her, wischt alles trocken und legt Sitzpolster aus. Hätten wir es nicht mit eigene Augen gesehen, wir hätten es nicht geglaubt, dass hier vor einer Stunde noch Land unter war. Der Nepperminer Fischpalast ist ein Selbstbedienungsrestaurant, bei dem man sich einen Fisch und eine Beilage aussucht. Der Fisch wird dann auf den Grill gehauen und wenn der mitgegebene Piepser anschlägt, kann man sich das Essen abholen.  Wir schnappen uns also den Piepser und machen es uns mit frisch gezapften Lübzer Pilsenern und ein paar Kräuterschnäpsen an unserem Tisch gemütlich und lassen die Blicke schweifen. Der Biergarten liegt direkt an einer Badestelle am Achterwasser. Am Ufer planschen zahlreiche Kinder. Und wie inzwischen an jedem Gewässer wimmelt es auch hier vor Stand-Up-Paddlern. Erstaunlich schnell gibt es eine Aktivität am Piepser. Essen is fertig. Kurz darauf hat unser Tisch solche Leckereien wie gegrillter Rotbarsch, Seeteufel und Jakobsmuscheln zu tragen. Alles wunderbar zubereitet und sehr lecker.

Die Sonne ballert inzwischen schon wieder so intensiv, dass es kaum auszuhalten ist, hier an unserem Tisch ohne Schatten. Und obwohl es hier wirklich wunderschön ist so direkt am Wasser, entschließen wir uns, den Aufenthalt im Fischpalast nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Schließlich kriegen wir bei Nina auch kühle Getränke, auch einen Blick aufs Wasser und bestimmt dazu noch einen schattigen Platz.

Und so finden wir uns wenig später auf der Terrasse von Nina wieder. Inzwischen hat Ilona die Bar übernommen und umsorgt uns zuvorkommend. Leichte Sorge macht uns, dass auf einem Schild steht: Öffnungszeit 12:00-21:00 Uhr. Aber wir bestellen einfach mutig Getränke weiter und als Ilona um 21:30 Uhr noch keine Anstalten macht eine letzte Runde einzuläuten, entspannen wir uns einfach. Wir quatschen über die Tour-Planung für morgen. Dummerweise fährt die Anklamer Fähre nicht. Die hätte uns nämlich locker 30 km Wegstrecke erspart. Wir überlegen kurz, ob die Fähre von Kamminke aus über das Haff bis Ueckermünde eine alternative wäre. Allerdings würde uns das morgen früh in Stress versetzen, da die letzte Fähre schon um 9:45 Uhr fahren würde und nicht gesichert ist, dass wir da auch rauf kommen. Zudem würde die Überfahrt 36 € pro Person kosten und wir wären am Ende des Tages mehr Fähre als Fahrrad gefahren. Das wollen wir auch nicht. Also müssen wir die ganze Schleife über Anklam fahren, grob überschlagen rechnen wir mit 110 km bis Pasewalk. Da gilt es sich jetzt noch mal richtig Mut anzutrinken. Gegen 22:30 Uhr möchte Ilona Feierabend machen, sie muss noch bis Swinemünde, wie sie uns sagt.  Glücklicherweise ist Pavel, der Mann von Nina noch da und verspricht uns, dass wir bei ihm noch ein Bier bekommen. Wir kommen mit ihm ins Gespräch, er erzählt uns, dass er und seine Frau Nina die Pension erst 2020 eröffnet haben und dass das alles andere als ein einfacher Start war in dieser Corona-Zeit. Pavel bringt noch eine Runde Bier an, irgendeiner von uns fragt nach Schnaps. Pavel fragt „Was wollt ihr denn?“, einer von uns antwortet zielsicher „Wodka“. Pavel sagt: „Gut, ich mach euch zehn Vierziger fertig“ und kommt kurz darauf mit 10 doppelten Wodka an unseren Tisch. Wir schauen uns erstaunt an, da es eigentlich wirklich nicht unser Ding ist, Wodka pur zu trinken. Aber nun stehen sie ja nun mal auf dem Tisch und Pavel ermuntert uns „Dzięki Männer!“ Pavel selber will keinen mittrinken, also prügeln wir uns auch noch die Wodkas hinter. Nach einer letzten Runde Bier entschließen wir uns, Pavel jetzt seinen wohl verdienten Feierabend zu lassen. Als wir in unsere Zimmer wanken, entdecken wir dummerweise eine wunderbare Dachterrasse, auf der ein Tisch mit genau fünf Stühlen steht. Wir setzen uns kurz hin und kommen auf den Gedanken, dass es sich hier noch besser mit einem kühlen Getränk sitzen würde. Was also tun? Wir blicken von der Dachterrasse und erspähen tatsächlich Pavel, wie er gerade sein Auto belädt. Einer von uns versucht halblaut zu pfeifen, geflüstertes Rufen: „Ey! Ey Pavel! Sag mal Pavel, ihr macht das hier so gut, ihr seid so eine geile Unterkunft, echt! Wir empfehlen euch auf jeden Fall weiter! Aber sag mal, könntest du uns noch ein Bier machen? Wir sitzen hier gerade so schön auf eurer Dachterrasse.“ Darauf Pavel: „Na gut Männer, aber bitte macht keinen Krach, damit die anderen Gäste schlafen können.“ Kurze Zeit später kommt Pavel mit frisch gezapften Lübzer die Treppe rauf geschnauft. Er ermahnt uns nochmals: „Bitte keinen Lärm wegen den anderen Gästen!“ Wir beruhigen Pavel und danken ihm für das Bier. Unter dem inzwischen sternenklaren Himmel schmeckt das Lübzer noch mal besser. Wir quatschen noch ein bisschen um uns dann wirklich zu verabschieden und uns fürs Frühstück um 7:30 Uhr zu verabreden. Es ist 23:55 Uhr und in diesem Moment ruft unsere Unterkunft für den nächsten Tag aus Pasewalk an. Aber das ist dann noch mal eine andere Geschichte, die später erzählt werden wird….

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