Hamburg->Berlin

Beauty-Woche unter Männern

Ein Lustspiel in 7 Etappen

5. Etappe: Heute ist Karneval in Kyritz an der Knatter

Nachdem uns der Wecker um 7:40 Uhr aus einem entspannten Tiefschlaf gerissen hat, entdecken wir in unserem kleinen Bad ein Schlachtfeld. Der Fußboden ist komplett mit Pringles-Chips bedeckt. Die leere Pringles-Dose liegt unter dem Waschbecken. Die Zimmernachbarn beschuldigen sich gegenseitig dieses Massakers und schließen für sich selbst kategorisch aus, dafür verantwortlich zu sein. Wir versichern uns gegenseitig glaubhaft, dass wir überhaupt keine Ahnung haben, wo die Pringles überhaupt her kommen. Jedenfalls hat niemand im Bewusstsein irgendwo Pringles besorgt. Aber irgendwie müssen sie in unser Bad gekommen sein. Es bleibt ein Mysterium.  Wir bemühen uns um notdürftige Beseitigung des Pringles-Chaos.

Wenig später finden wir uns im Frühstücksraum des „Germania“ wieder. Super Frühstück mit allem Drum und Dran. Über die Boxen läuft Smokie mit  „Lay Back in the Arms of Someone“. Zwischen Räucherlachs-Broten, Hausmacherblutwurst aus der Prignitz und frischem Fruchtsaft bequatschen wir mit  einer gehörigen Portion Respekt im Bauch die Streckenführung der heutigen Etappe. Immerhin ist heute Königsetappe, wir rechnen mit mindestens 90 Kilometern und unwegsamen Gelände. Jeder bekommt Knotenpunkte zugewiesen, die er sich merken soll. Das wird ein wilder Ritt bis Kyritz an der Knatter. Wir werden heute den Elbe-Radweg verlassen und sind auf sogenannte Radweg-Knotenpunkte angewiesen. Das ist zum einen darin begründet, dass wir ohnehin nach Osten kommen müssen, da die Elbe halt nicht durch Berlin fließt. Zum anderen wollen wir das beste Bundesland weltweit eben genau dort erleben, wo Brandenburg am aufregendsten ist. Und das ist nun mal nicht dort, wo mit umfangreicher Infrastruktur (wie etwa am Havelradweg) zu rechnen ist und auch nicht in der Nähe des Berliner Speckgürtels. Nein, wir wollen noch Abenteuer im schroffen,  ungezügelten, unverstellten, unangepassten  Brandenburg erleben. Wir wollen dahin, wo man sich zur Begrüßung erstmal einen Spruch an den Kopf knallt, wo keiner sagt „danke, bitte, sehr gerne, kann ich sonst noch was für sie tun“. Und für dieses Vorhaben verspricht der Weg nach Kyritz an der Knatter umfangreiche Erlebniswelten. Auf ins Hinterland!

Gut gestärkt durch das üppige Frühstück und nach den üblichen vorbereitenden Maßnahmen schieben wir die Räder aus dem Schuppen des wirklich zu empfehlenden „Hotel Germania“ in Wittenberge. Wir versorgen uns beim ortsansässigen Rossmann noch mit Sonnenschutz und umfangreichen Wasserreserven. Wer weiß, wann wir wieder die Gelegenheit dazu bekommen. Die Kassiererin meint schroff: „Die jungen Männer das nächste Mal dann aber bitte auch mit einem Einkaufswagen in den Laden!“ Wir nicken schuldbewusst hinter unseren Masken und geloben Besserung. Dies bricht das Eis zwischen uns und der Kassiererin und sie fragt interessiert, was wir vorhaben. Sie wäre vermutlich am liebsten mit uns mitgefahren und wünscht uns gute Fahrt. In der Innenstadt finden wir den ersten Knotenpunkt und folgen den Wegweisern zum nächsten. So rollen wir über Seitenstraßen aus der Stadt und sind kurze Zeit später auf dem Elbdeich. Dann wollen wir sie mal in Angriff nehmen, diese Königsetappe.

Die Streckenführung gönnt uns noch einige Kilometer Elberadweg. Zeit um sich von dem mächtigen Strom zu verabschieden. Danke Elbe, es war uns eine Freude! Du hast uns eine gigantische Kulisse für unsere Radtour geboten. Sei es entspannt bei kühlen Getränken vor ein paar Tagen in „Strand Pauli“, sei es bei Regen entlang Hamburger Industriegebiete, sei es auf der großen Terrasse im „Von Herzen“ oder kurz darauf auf der Eisenbahnbrücke von Lauenburg, sei es von der Fähre aus in Hitzacker oder in der unfassbar geilen Landschaft in der Prignitz gestern. Mach’s gut großer Fluss, wir hoffen auf ein Wiedersehen. Am Knotenpunkt 33   lassen wir die Elbe zurück und biegen links in Richtung Bad Wilsnack ab. Das scheint ja erstmal zu funktionieren, mit diesen Knotenpunkten. Hat was von Schnitzeljagd. Wenig später radeln wir durch das kleine Fachwerkstädtchen Bad Wilsnack und passieren die dortige Kristalltherme. Nachdem wir die Eisenbahnunterführung mit Schwung gemeistert haben, zeigt das Radweg-Zeichen kurz darauf scharf nach rechts. Über einen unbefestigten Sandweg geht es in den Wald hinein. Es geht kilometerweit durch brandenburger Wälder. Die Heidelbeersträucher sind üppig behangen und die Pfifferling-Bestände sind sogar vom Fahrrad aus zu sehen. Aber wir haben keine Zeit für Exkursionen in die Pilze, wir haben schließlich eine Königsetappe zu bewältigen. Irgendwann erreichen wir Plattenburg und passieren eine große Fischzucht samt Fischerei. Wir überqueren auf einer Brücke die Karthane. Von irgendwo her riecht es herrlich nach frischen Bratkartoffeln. Aber an Essenspause ist nicht zu denken, nicht auf so einer Königsetappe. Daher radeln wir weiter an endlosen Rinderweiden entlang, auf der Suche nach Knotenpunkt 50. Über Groß Leppin und Storbeckshof erreichen wir schließlich das kleine Nest Glöwen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Doch trotz Königsetappe ist hier jetzt erstmal die erste Bier-Pause fällig. Das „Gasthaus zur Quelle“ hat gegen 11:00 Uhr schon geöffnet  und wer weiß, wann die nächste Kneipe kommt. Und damit die Tour de Sauf ihrem Namen auch alle Ehre macht, ordern wir noch eine 2. und eine 3. Runde nach. Trotz- oder gerade wegen Königsetappe. Gut gestärkt durch Flüssignahrung machen wir uns aber dann wieder  auf die Reise. So eine Radtour ist ein ständiges irgendwo Ankommen und ein ständiges nach irgendwohin Aufbrechen.

Es geht jetzt erstmals auf unserer Radtour ein längeres Stück über Landstraße. Zum Glück ist das Verkehrsaufkommen gering, aber jedes Mal wenn ein LKW an der Radsportgruppe vorbeizieht, halten wir kurz die Luft an. Links und rechts der Straße nutzen Landwirte die günstige Wetterlage, um die Getreideernte ins Trockene zu bringen. Von überall stauben Mähdrescher durch die Landschaft. Dazu begleiten uns immer wieder artistische Flugeinlagen von Schwalben.

Wir erreichen Barenthin und verlassen dies sofort wieder in Richtung Rehfeld. Am Ortsausgangsschild können wir unseren Augen nicht trauen, als wie auf einem Schild lesen: „Kyritz 10 km“. Und dass um kurz nach 12 Uhr auf der Königsetappe. Wir fahren weiterhin Landstraße und nutzen das gute Rollgefühl, um ein wenig Sport zu machen. Am Wegesrand suchen wieder Weißstörche nach Essbarem. Wir passieren unsichtbare Anstiege, die für das Auge nicht sichtbar sind, aber trotzdem da sein müssen. Die Oberschenkel brennen, wir geben alles und kommen trotzdem nicht richtig voran. Dann wieder Abfahrten, die ebenfalls nicht sichtbar sind, aber wir rollen plötzlich mit wenig Aufwand bei 40 km/h durch die sommerliche Landschaft. Wir haben seit Tagen versucht, den Text des  alten Gassenhauers aus dem Blauen Bock  „Heute ist Karneval in Kyritz an der Knatter“ zu lernen und wollten den eigentlich bei der Einfahrt im Etappenziel der Königsetappe laut singen. Völlig überraschend passieren wir aber um 12:40 Uhr das Ortsschild „Kyritz“. Wir schauen uns ungläubig an: Dies soll sie also gewesen sein, unsere gefürchtete Königsetappe? Wir haben noch keine 60 Kilometer auf der Uhr und sind so früh wie nie im Etappenziel. Ob wir überhaupt schon ins Hotel kommen? Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Merkwürdige Königsetappe.

Wir rollen durch das wenig beschauliche Städtchen Kyritz. Zahlreiche Bausünden aus der Zeit des real existierenden Sozialismus. Grau ist die bestimmende Farbe. Also erst mal was essen oder versuchen, im Hotel einzuchecken? Wir entscheiden uns für was essen. Leider ergibt die Suche über das Mobiltelefon, dass alle Restaurants in der Umgebung erst am Abend öffnen. Dies wird durch den Versuch bestätigt, diese Gaststätten persönlich aufzusuchen. Was ist denn hier los? Isst der gemeine Bewohner von Kyritz an der Knatter etwa nix zur Mittagszeit? Nun gut, dann eben doch erst ins Hotel. Nach kurzer Fahrt, auf der wir uns auf die Anweisungen der Navigations-App verlassen, stehen wir vor dem Landhotel Heine, heute unser Heim. Dachten wir zumindest.

Wir betreten die Rezeption mit Mundschutz und gebührendem Abstand. Wir sagen: „Guten Tag, wir sind die acht Radfahrer, die heute bei ihnen gebucht sind. Wir wollten fragen, ob wir schon auf die Zimmer könnten.“ Der Mann an der Rezeption antwortet gelangweilt: „Das kann ich mir nicht vorstellen, ich erwarte heute keine acht Radfahrer.“ Wir daraufhin: „Naja, wir haben doch aber bei ihnen gebucht. Eine Übernachtung mit Frühstück  für 4 Doppelzimmer.“ Der Mann an der Rezeption siegessicher: „Dazu habe ich nix im System.“ Wir wieder: „Na aber wir haben doch eine Bestätigung per E-Mail.“ Langsam wird der Mann an der Rezeption offenbar doch leicht nervös: „Na die Bestätigung will ich sehen.“ Wir zeigen ihm die Bestätigungsmail vom Landhotel Heine, in der die 4 Doppelzimmer für die Übernachtung von heute auf morgen aufgelistet sind und wo darunter steht: „Wir wünschen ihnen eine gute Anreise und freuen uns auf ihren Besuch, ihr Landhotel Heine“. Naja, die gute Anreise hatten wir, aber erfreut über unseren Besuch ist hier erstmal keiner. Jetzt fängt der Rezeptionsmann an hektisch auf seiner Tastatur rum zu klopfen: „Also äh….also sowas hatten wir ja noch nie. Ich habe hier auch ihre Buchungsbestätigung gefunden aber die ist nicht im System drin.“ Wir sagen ihm: „Ja macht ja jetzt nix, dann würden wir eben jetzt einfach gerne 4 Doppelzimmer für eine Übernachtung nehmen.“ Darauf die Antwort: „Das ist ausgeschlossen, ich bin ausgebucht.“ Na prima, das sind ja ganz herausragende Aussichten hier in Kyritz an der Knatter. Der Mann an der Rezeption versucht jetzt hektisch alle Hotels in Kyritz abzutelefonieren, um uns eine Alternative vorzuschlagen. Er lässt in unterschiedlichen Hotels einzelne Doppelzimmer reservieren. Das ist aber nicht das, was wir wollen. Wir haben wenig Lust am Abend in unterschiedlichen Hotels über diese merkwürdige Stadt verteilt pennen zu müssen. Der Rezeptionsmann kann aber ohnehin nur zwei Doppelzimmer in Kyritz auftreiben. Er sagt: „Also, ich kann mich da nur entschuldigen.“ Das hilft uns jetzt aber auch nicht weiter.

Wir stehen nach unserer Königsetappe also ohne Unterkunft da. Wir telefonieren nun in Eigeninitiative alle im Umkreis liegenden Unterkünfte ab und erhalten überall Absagen.  Alles Ausgebucht in Kyritz an der Knatter. Im 14. Versuch das erste Telefonat, welches nicht sofort mit einer Absage beantwortet wird. Das „See-Idylle“ sagt, dass man schaut, was man für uns machen kann. Kurzdarauf die Ansage: „Na gut, wir kriegen das hin“. Für uns eine Mischung aus Erleichterung und Frust, da wir uns noch mal auf die Räder schwingen müssen und knappe 10 Kilometer bis nach Wusterhausen an der Dosse weiter radeln müssen. Und das, nachdem wir uns bereits sicher waren, die Königsetappe mit Bravour und in Rekordzeit gemeistert zu haben.

Nun ist es sicherlich so, dass es in Kyritz an der Knatter auch ganz schöne Ecken geben wird. Und dort werden sicher auch Leute leben, die völlig in Ordnung sind. Nur haben wir auf unserer unfreiwilligen Kurz-Visite nichts davon gesehen. Daher verlassen wir dieses Kyritz mit dem Gefühl: „Was für eine Kackstadt! Nie wieder Landhotel Heine, nie wieder Kyritz an der Knatter! Von wegen Karneval…..am Arsch die Räuber“.

Bei beständigem Gegenwind radeln wir auf einem Radweg entlang einer viel befahrenen Bundesstraße, passieren einen kleinen Flugplatz und wechseln kein Wort. Den Frust aus Kyritz muss jeder erstmal verarbeiten. Nach 20 Minuten sagt die Navi-App scharf links abbiegen. Es geht vorbei an Bootsschuppen und kurz darauf stehen wir vor dem „See-Idylle“. Von außen sieht es gar nicht mal so schlecht aus, direkte See-Lage nur macht es den Anschein, als ob hier schon länger (also 5-10 Jahre) keine Gäste mehr genächtigt haben.

Wir stehen etwas unschlüssig vor dem See-Idyll als plötzlich ein bärtiger Mann mit Blaumann um die Ecke kommt. Er hat den Blaumann nur als Hose angezogen, der obere Teil des Blaumanns baumelt die Hüften hinunter. Mit freiem Oberkörper und ölverschmierten Händen kommt er auf uns zu. „Na, ihr seit die Männer die hier heute pennen wollen?“ Wir sagen „Genau“. Der Mann reinigt sich mit einem Lappen die ölverschmierten Hände und meint dann: „Dit is jut, ick bin der Klaus. Wollt ihr erstmal eure Räder los werden?“ Wir halten das für eine gute Idee. „Na dann kommt mal mit Männer.“ Klaus führt uns auf ein gegenüber liegendes Grundstück und öffnet ein großes Metall-Tor. „So Jungs, kommt rin, da hinten in der Garage könnt ihr eure Räder abstellen. Ich fahr heute Nacht mein Auto vor das Tor, da kommt keiner ran.“ Klaus scheint die Lage im Griff zu haben und wird sich  gut um uns kümmern, das spüren wir sofort. Er verkörpert mit allem was er sagt und tut  diese geile  unkonventionelle Unkompliziertheit, die es so nur in Brandenburg gibt. Hier wird man nicht an der Rezeption im Anzug mit den Worten empfangen „Herzlich Willkommen, wir hoffen Sie hatten eine gute Anreise“. Nee, Brandenburg empfängt dich im Blaumann mit öligen Pfoten  und mit den Worten: „Ihr wollt hier heute pennen.“

Wir schlurfen zurück zum See-Idylle und Klaus händigt uns die Schlüssel aus. „So Jungs, dann richtet euch mal ein und Frühstück mache ich euch dann morgen zu um acht fertig, wa?“ Wir antworten: „Dit hört sich jut an.“ Gleichzeitig sind wir mit leichten Gruselgefühlen sehr gespannt, wie das Frühstück aussehen wird, was uns Klaus in seinem Blaumann und den ölverschmierten Fingern morgen zubereiten wird. Aber wir sind in Brandenburg und da sollte man nie mit Vorurteilen unterwegs sein, denn dieses Brandenburg belehrt einen täglich eines Besseren.

Als wir die Zimmer beziehen schaudert es uns erneut. Die Einrichtung ist in Ordnung, schöner 1990er Style überall. Nur liegt über den Fluren und allen Zimmer ein irgendwie muffiger Geruch. Wir sind die einzigen Gäste in diesem riesigen Haus. Und das offenbar seit geraumer Zeit. Einer von uns spricht aus, was alle denken: „Was is den dit fürn Gruselhotel?“ Wir reißen zunächst die Fenster auf, jetzt geht es schon besser. Wir richten uns ein, packen das nötigste aus den Fahrradtaschen und vereinbaren, dass wir uns dann gleich treffen, um was zu essen zu finden. So versammeln wir uns also kurze Zeit später vor dem See-Idylle, Klaus kommt vorbei und sagt: „Jungs, wenn es an irgendwas fehlt, dann sagt Bescheid. Kann ich was für euch tun?“ Wir sagen: „Ja, du könntest uns sagen, wo wir was zu essen bekommen.“ Klaus zögert nicht lange: „Na Männer, hier direkt neben an ist der Segelverein, die haben ne Kneipe, da kriegt ihr was zu essen. Oder wenn das nix ist, dann ist hier 500 Meter den See entlang noch ein Italiener.“ Na das sind doch mal gute Neuigkeiten, die Klaus für uns hat.

Da wir die Terrasse direkt am See von diesem Segelverein erblicken und dort ein großer leerer Tisch steht, der auf acht durstige und hungrige Jungs wartet, entschließen wir uns die Gunst der kurzen Wege zu nutzen und betreten die „Gaststätte Bootshaus“. Wir werden zunächst freundlich empfangen und gehen durch den Gastraum zur großen Terrasse direkt am Wasser. Dort steht ein großer Tisch an dem 7 Stühle stehen und noch genügend Platz ist, einen achten dazu zu stellen. Wir denken an die brandenburger Unkompliziertheit und holen uns einfach einen Stuhl von einem benachbarten Tisch. Darauf erfolgt sofort die knalharte Ansage: „Junger Mann, wir sind hier noch in der Quarantäne, hier wird nicht einfach umgeräumt.“ Holla, hier wird die Brandenburger Schroffheit aber in sehr extremer Form gelebt. Wir warten die nächsten Wortwechsel ab, aber als die Stimmung nicht um schwingt sondern immer unfreundlicher wird, bemerken wir sehr schnell: Das hat hier nix mit Brandenburger Schroffheit zu tun, die Bedienung hat schlicht und einfach ganz gewaltig  einen an der Knatter. Als einer von uns aus dem Hintergrund irgendwann einwendet, dass man das ja auch alles vielleicht etwas freundlicher sagen könnte blafft die Bedienung: „So, wer hat sich hier jetzt noch gemeldet?“ Spätestens jetzt ist klar: Das wird hier heute nix mehr mit uns und der Bedienung. Wir machen kehrt und verlassen die „Gaststätte Bootshaus“ unverzüglich und grußlos. Da ist dem Bootshaus jetzt aber mal ganz geschmeidig eine Rechnung von Minimum 300€ durch die Lappen gegangen. Auf Brandenburger Schroffheit haben wir richtig Bock, aber wir haben keinen Bock einer durchgedrehten Bedienung unser Geld da zu lassen.

Klaus hatte ja noch was von einem Italiener am See erzählt und so machen wir uns auf die Suche. Wenig später werden wir fündig und das „Casa Nostra“ empfängt uns mit offenen Armen. Kurz drauf steht Pizza und Pasta in allen Ausprägungsformen vor uns auf dem Tisch. Dazu  reichlich Kaltgetränke. Die Sonne knallt ganz schön, der Wirt hat aber aus Angst vor dem böigen Wind die Sonnenschirme eingeholt. Wir lassen den Blick über den See schweifen und beobachten einen kleinen weißen Ausflugsdampfer beim Runden-Ziehen. Über uns kreisen haufenweise Cessnas im wackligen Landeanflug auf den Flugplatz, an dem wir vorhin schlecht gelaunt vorbei geradelt sind. Gegen 16:00 Uhr brechen wir auf und reservieren uns für 19:30 Uhr gleich wieder einen Tisch im gleichen Lokal. Das Bootshaus ist ja nun keine Alternative mehr und so viele Möglichkeiten haben wir hier nicht. Wir schlendern zurück zu unserem Grusel-Hotel und ziehen uns für 1-2 Stunden auf die Zimmer zurück. Gegen 19:00 Uhr treffen wir uns an der Terrasse zum See und genießen den Ausblick. Klaus hat es sich hier in einem alten Strandkorb gemütlich gemacht und einen Flat TV aufgebaut und verfolgt aufmerksam das Fernsehprogramm. Er fragt, ob alles zu unserer Zufriedenheit ist und wir antworten: „Alles bestens Klaus.“ Klaus nickt.

Wir machen uns auf den Weg und sitzen wenig später wieder im Casa Nostra und geben umfangreiche Bestellungen auf. Wir essen, wir trinken, wir quatschen uns dusselig. Gewohnte Routine inzwischen. Auch nach dem Hausschnaps wird wieder gefragt und siehe da, kurze Zeit später steht die gleiche 1,5 Liter Flasche Grappa auf dem Tisch, die wir vor ein paar Tagen kurz hinter Hamburg geleert hatten. Erfreut wird festgestellt:  „Da sind sie ja wieder, unsere Rambazamba-Tropfen!“ Und auch das ist wie immer: wir sind die letzten Gäste und der Kellner kann seine Erleichterung nicht verbergen, als wir endlich zahlen. Mit einem leicht mulmigen Gefühl gehen wir zurück zu unserem Grusel-Hotel und malen uns aus, was da gleich zur Geisterstunde alles passieren wird. Irgendjemand kommt noch auf die schlaue Idee Klaus aus dem Bett zu klingeln und zu fragen, ob er uns noch ein paar Bier verkaufen kann. Klaus sagt mit seiner ungestellten Herzlichkeit leicht verschlafen: „Na klar Männer, kein Problem und kommt kurz darauf mit einem Plastikeimer an, in dem 8 Flaschen Oettinger-Hefeweizen stecken. Schön lauwarm und wir stellen fest, dass das Bier seit fast einem Jahr abgelaufen ist. Wir quälen es uns trotzdem rein, irgendwie ein unwürdiger Abschluss dieses ereignisreichen Tages, der mit den Pringles auf dem Klo im „Germania“ begonnen hatte. Zumindest sind wir jetzt betrunken genug, um alle Grusel-Geschichten, so sie denn des Nachtens hier stattgefunden haben sollten, entspannt zu verpennen.